2. Reise

Hier gibt's demnächst Berichte von unserer zweiten Reise! Nur so viel sei schon verraten: Diesmal haben wir die Kamera durch den Zoll bekommen und konnten Filmmaterial für 4 Kurzfilme sammeln. Zur Zeit arbeiten wir daran das Material zu schneiden und in Oromifa geführte Interviews zu übersetzen. Bald wird es dann von uns Filme zu folgenden Themen/Projekten geben:

1. Handwerksschule(BTS) und Aufforstungsarbeit von Hermann Kruse
2. ein Projekt zur Fußkrankheit "Podo Coniosis"
3. Frauen in Äthiopien
4. Kaiserschnitte im Aira Hospital

Und die ersten Berichte sind da!:


Wo kommen die guten Hirten her?
Pastoralausbildung im Onesimus Nesib Seminar[1] in Aira

Der Eingang zum Grundstück der Bibelschule.

Im schon früh christlich geprägten Äthiopien (35-40 % orthodoxer Christen, 10 % Protestanten,1 % Katholiken) leben viele junge Menschen im Glauben an Gott. Dass sich ein junger Christ / eine junge Christin mit dem Berufswunsch des Pastors / der Pastorin[2] trägt, ist dementsprechend gängig. Doch woher bekommt er oder sie die nötige Ausbildung?

Das Onesimus Nesib Seminar in Aira, Westäthiopien, ist eines von fünf Bibelschul-Seminaren im Land, wo Männer und Frauen auf ihren Beruf vorbereitet werden. 1962 durch die Hermannsburger Mission (Evangelisch-Lutherische Mission Niedersachsen, kurz ELM) gegründet, trägt und koordiniert sich das Seminar seit 2004 selbst, d.h. ohne Anleitung durch Missionare.

Eine fundierte liturgische und theologische Ausbildung ist trotz der Organisation des Landes in Synodalstruktur[3] weit weniger selbstverständlich, als in europäischen Ländern. Gleichwohl ist ihre Bedeutung in Äthiopien ebenso groß, wenn nicht größer: Ein Pastor / eine Pastorin hat zentrale koordinierende Funktion im Kirchenapparat, welcher Diakonie leistet und so fehlende staatliche Leistungen (wie Krankenversorgung, Bildung, Armenhilfe, Frauenarbeit u.v.m.) auffängt.

Ein Blick in den Klassenraum des Englischunterrichts.
Kompetente Pastoren / Pastorinnen bis zur Berufstätigkeit zu begleiten, ist nur den sog. 'seminaries' unter den Bibelschulen erlaubt. Das ONS bekam diesen Status 1996 zugesprochen und hat dank dieser Zukunftsperspektive großen Zulauf aus der ganzen Region. Mit seinen sechs Lehrern deckt das Seminar nicht nur Bibelstudien und -sprachen, Kirchengeschichte, Dogmatik und Praktische Theologie ab, sondern integriert auch Englisch, Psychologie und IT-Kurse in den Lehrplan. Gelegentlich Gastredner, meist aus Europa, bringen Abwechslung und Horizonterweiterung mit Themen wie 'Aids im Zusammenhang mit vorehelichem Geschlechtsverkehr und die Verantwortung der Kirche' oder 'Arbeit mit Menschen mit Behinderung'. Um die Materialkosten für Schule und Studenten möglichst klein zu halten, kauft das ONS die Rechte an Lehrbüchern, um sie am Computer zu editieren und die Ausdrucke von Hand am Kopierer zu vervielfältigen.

Die Studierenden lernen 2 bis 3 Jahre lang am ONS, je nach Profil: Das alte Diplomsystem nimmt Schüler nach der 12. Klasse für 3 Jahre ins Theologiestudium auf, während das neue, von der Regierung eingeführte Bachelorprogramm Schüler schon nach der 10. Klasse für nur 2 Jahre immatrikuliert.

Nach ihrem zweiten Jahr dürfen die Studierenden in der Seminarskapelle predigen, wo jeden Morgen die ganze Schule Andacht hält. Weitere Praxiserfahrungen sammeln die werdenden Pastoren und Pastorinnen in Praktika während der Sommerpause. Außerdem helfen die Studierenden bei Gottesdiensten und Gemeindearbeit im Umkreis aus, denn der Pastor in Aira ist zur Zeit verantwortlich für 15 Gemeinden und und muss daher an vielen Stellen unterstützt und vertreten werden. Auch hier zeigen sich Sinn und Bedarf der Pastoralausbildung.

Das breite, gut strukturierte Bildungsangebot des ONS, sowie die Unterkunft zu relativ hohem Standard (nach äthiopischem Maßstab) haben durchaus ihren Preis: 1200 Birr zahlt ein Studierender im Monat für Kost, Logis und Lehre, was ungefähr 60,- Euro entspricht. Zwar werden viele junge Leute durch ihre Synoden entsendet, doch finanziell können sie hier nicht unterstützt werden. Solche Summen[4] aufzubringen, ist vor allem für Frauen sehr schwierig, denn wenn eine Familie ein Studium (teilweise) finanzieren kann, werden Ausbildung und Beruf aufgrund kulturell geprägter Geschlechterrollen zuerst männlichen Mitgliedern ermöglicht.

Das Evangelisch-Lutherische Missionswerk Niedersachsen unterstützt aktuell 6 der 13 Studentinnen. Um die weibliche Minderheit der insgesamt 99 Teilnehmer zu stärken, sucht das Onesimus Nesib Seminar bis heute nach Paten, die den jungen Frauen ihre Ausbildung ermöglichen. Doch auch Missionare, die das Lehrangebot bereichern, sowie Besucher und Gastredner aller Art werden sehnlichst erwartet und in aller Herzlichkeit und Großzügigkeit aufgenommen. Denn Horizont -in diesem Sinne- hat man nie genug.

Anna Berkholz, März 2011


[1]    Onesimus Nesib war der erste Protestant und Missionar West-Äthiopiens: Mitte des 19. Jahrhunderts aus seiner Heimatregion entführt und zum Weiterverkauf als Sklave an die Küste verschleppt, wurde er von schwedischen Missionaren freigekauft, bekehrt und zum Pastor ausgebildet. Als freier Christ kehrte er ins Landesinnere zurück, verkündigte seinen Landsleuten das Evangelium und übersetzte die Bibel in eine der Mehrheitssprachen, Afaan Oromo. siehe hierzu: Literaturangabe.
[2]    Der Pastorenberuf -und die entsprechende Ausbildung- stehen Frauen in Äthiopien seit 2009 offen.
[3]    Zur Zeit existieren 22 protestantische Synoden, wobei sich ständig neue Regionen zur Synode herausbilden.
[4]    Zur Veranschaulichung: Ein Tagelöhner bekommt für handwerkliche Leistungen einen Monatslohn von 450 Birr. An einem solchen Einkommen hängen in afrikanischen Ländern bis zu 20 zu versorgende Menschen.Die Lebenshaltungskosten eines solchen Haushalts betragen 1500 Birr/Monat. Für 1 Birr bekommt man einen kleinen Laib Weißbrot, zwei Kanister Wasser, 170 g Getreide oder 1 Zuckerrohr.